Schlechte Prozesse in optimaler Software helfen nicht weiter

Geschäftsprozessanalyse als Voraussetzung für ein erfolgreiches ERP-Projekt

Die Einführung eines neuen ERP-Systems ist für viele Firmen der naheliegendste Weg, wenn es darum geht die Defizite innerhalb des Unternehmens zu beheben. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass viele Probleme nicht einfach durch eine neue Softwarelösung zu beheben sind. Vielmehr ist es ratsam vor solch einem Schritt, der die Finanzen des Unternehmens substanziell belasten kann, genau zu prüfen, welche Ursache die einzelnen Problemstellungen haben. Fast alle Probleme von klein- und mittelständischen Unternehmen können in vier Kategorien eingeteilt werden:

  • organisatorische bzw. prozesstechnische,
  • disziplinäre,
  • rechtliche und
  • softwaretechnische Problemstellungen.

Während der zuletzt genannte Punkt durch eine ausreichende Softwareunterstützung behoben werden kann, sind die rechtlichen Problemstellungen ein Fall für die juristische Abteilung. Allerdings sollten die ersten beiden Problembereiche vor einer Softwareeinführung soweit wie möglich reduziert werden.

Organisatorische Defizite stellen ein großes Hindernis auf dem Weg zum Umsetzungserfolg von Software-Einführungsprojekten dar. Wenn in einem Unternehmen die Zuständigkeiten und Vertretungsbefugnisse nicht klar geregelt sind, ist es faktisch nicht möglich diese softwaretechnisch abzubilden. In vielen Projekten wird dann von den Softwareanbietern erwartet, dass diese aufzeigen, wie solche organisatorischen Probleme in der angebotenen Softwarelösung gelöst werden. Klar sollte aber sein, dass eine Software nur unterstützend als Werkzeug gebraucht werden kann. Die organisatorischen Probleme muss der Kunde schon vor der Einführung eines ERP-Systems erkennen und benennen können. Nur durch diese Reihenfolge ist eine deutliche Verbesserung nach Einführung der Softwarelösung realisierbar. Andernfalls wird auch die neue Software die unstrukturierten Prozesse nicht verbessern können und verkommt zu einer teuren Schreibmaschine mit Suchfunktion.

Im Zuge dieser Problemstellungen ist es sinnvoll zu überlegen, wie dieses Problem in der Realität gänzlich ohne Einsatz von Computersystemen gelöst werden würde. Anschließend kann zusammen mit dem Softwareanbieter diese Lösung auf die Fähigkeiten und Funktionen des Systems adaptiert werden. Bei der Lösungsfindung sollte darauf geachtet werden, dass die Fragestellungen im bestmöglichen Sinne des Unternehmens gelöst werden und sich die Lösungen nicht an der einzuführenden Software ausrichten. Bei dieser Lösungsfindung kann die Unterstützung durch einen unabhängigen Berater sinnvoll sein, um Betriebsblindheit zu überwinden oder auch Best-Practise Lösungen aus anderen Branchen und Unternehmen zu prüfen und diese gegebenenfalls abgewandelt zu übernehmen. Dies ist auch ratsam im Hinblick auf das zu erstellende Berechtigungskonzept für die künftige Softwarelösung, in dem festgelegt wird, welcher Mitarbeiter was im System sehen darf und welche Berechtigungen er bekommt. Beispielsweise sollte sicherlich nicht jeder Mitarbeiter Zugriff auf die Preisgestaltung der Verkaufsprodukte oder die Personalakte seines Abteilungsleiters haben.

Fehlende Disziplin ist ein weiterer gewichtiger Grund, warum eine Softwareinführung scheitern kann. Selbst wenn nahezu alle organisatorischen Defizite behoben sind, ist eine hohe Disziplin von Nöten, um durch eine neue ERP-Software die gewünschten Ergebnisverbesserungen zu erreichen. Wenn die Mitarbieter der Anfragebearbeitung die Stammdaten nicht korrekt hinterlegen, wird dies in den nachgelagerten Prozessen und den an ihnen beteiligten Abteilungen zu Problemen führen, sei es nun in der Fertigung, im Versand oder im Rechnungswesen. Auch wenn in den Fertigungsabteilungen Teile nicht korrekt zu- oder abgebucht werden oder kein verschlossenes Lager existiert, wird es zwangsläufig Differenzen zwischen der wirklichen und der virtuellen Teileanzahl geben. Zwar ist es möglich durch geeignete Kennzahlen die Disziplin in Unternehmen zu erhöhen, weil bereits die Installation eines Kontrollinstruments für sich allein eine Verbesserung bewirkt, allerdings sollte immer auch das Gespräch mit den betroffenen Mitarbeitern gesucht werden. Wenn der Mitarbieter aufgezeigt bekommt, welche Folgen seine mangelnde Sorgfalt für die folgenden Prozesse und nachgelagerten Abteilungen hat, wird dies zur Prozessverbesserung beitragen. Häufig ist den betroffenen Mitarbeitern gar nicht bewusst, welche Folgen eine fehlende Eingabe ihrerseits nach sich zieht. Unsere Erfahrung zeigt: Gerade auch bei solchen Problemstellungen kann eine Geschäftsprozessmodellierung weiterhelfen, weil diese das abteilungsübergeifende Verständnis fördert und verbessert.